Liebe Gemeindeglieder, liebe Leserinnen und Leser,
auf manche Worte der Bibel werde ich erst aufmerksam in besonderen Situationen, so auch auf diese. Von einem vermeintlich Fremden wird Maria Magdalena am Ostermorgen auf dem Friedhof angesprochen. Sie hält ihn für den Gärtner. Doch an der Art und Weise, wie er ihren Namen ausspricht, erkennt sie, dass es der Totgeglaubte ist. Augenblicklich will sie ihm um den Hals fallen. Da bittet Jesus sie Abstand zu halten.
Wie bekannt kommt uns das in diesen Tagen vor. Zwar haben wir uns ein wenig daran gewöhnt, doch spätestens bei der nächsten Begegnung werden wir ans Abstandhalten erinnert.
Eine solche Zurückweisung war die Begleiterin Jesu nicht gewöhnt. Merkwürdig, dass sie von demjenigen kommt, der sich nicht einmal gescheut hatte, von Kranken berührt zu werden. Zudem eine unlogische Bitte: Wie soll Maria Jesus berühren, wenn er – demnächst – „aufgefahren ist zum Vater“? Dann ist es doch erst recht nicht mehr möglich?
Jesus denkt in anderen Dimensionen. Dass er nach Ostern seinen Jüngerinnen und Jüngern noch eine Zeitlang sichtbar erscheint (und sich gelegentlich – siehe bei Thomas – sogar ausdrücklich anrühren lässt), ist Ausnahme. Maria wird darauf vorbereitet, dass sie in Kürze Jesus nicht mehr physisch vor sich haben wird. Es kommt die Zeit, dass Menschen dem Auferstandenen in seinem Wort begegnen, in Brot und Wein, im Bruder / in der Schwester und im Gebet.
Wie mag es Ihnen zurzeit ergehen? Ich empfinde die Lage konträr. Auf der einen Seite Entschleunigung, unerwartete Freiräume für Menschen, Zeit, Dinge zu erledigen, die liegen geblieben waren. Auf der anderen Seite Menschen, die besonders gefragt sind, überschüttet vom Andrang, nicht nur in der Lebensmittelbranche, Krankenstationen und Behörden, soweit sie in die Regulierung der Krise verwickelt sind. Viele werden überfordert werden. Auf der einen Seite Bangen um finanzielle Zukunft, auf der anderen (geringeren) Seite Zugewinn. Aufatmen der Natur, sinkender CO2-Ausstoß und Energieverbrauch. (Was der Umwelt gut tut und wir nicht freiwillig hinbekommen, dazu sind wir jetzt gezwungen.) Auf der anderen Seite Menschen, die darauf warten, dass Produktion, Handel und Dienstleistungsgewerbe wieder anfahren können.
Schwierig stelle ich mir die Beengtheit mancher Familien vor, die sich auf wenig Raum aushalten, Arbeit und Kinderbetreuung miteinander verbinden müssen. Da werden manche Nerven blank liegen. Wie gut, dass wir bisher wenigstens von Ausgangssperren verschont geblieben sind und uns die Krise im Frühjahr erwischt. Im Herbst hätte sie uns noch härter getroffen.
Ich hoffe, Sie können manchen Einschränkungen auch gute Seite abgewinnen. Eine interessante Fülle gehaltvoller, auch geistlicher Beiträge gibt es im Internet. Telefonieren – neben Kurznachrichtendiensten – erlebt eine Revue. Sogar handgeschriebene Briefe habe ich in diesen Tagen erhalten. Trotz auferlegter und nötiger Kontaktsperren rücken Menschen wieder auf andere Weise einander näher. Das ist wertvoll und wird für die Zeit prägend bleiben.
Der Rat eines Lungenfacharztes gab mir heute zu denken: Würden wir in der Öffentlichkeit konsequent Mundschutz tragen, könnten manche Formen der Begegnung – auch Gottesdienste – eher wieder zugelassen werden. Abgesehen vom Vorratsmangel tun wir uns – auch ich – mit der Maßnahme noch schwer. Gebe Gott den politischen Entscheidungsträgern in der kommenden Woche Einsicht und Mut, die weiteren nötigen Entscheidungen zu treffen. Manches ist einfacher umzusetzen, wenn es allen befohlen wird.
Neben persönlicher Begegnung vermisse ich z.Z. vor allem auch die Feier des Abendmahls. Wie sehr freue ich mich darauf, wenn sie, in welcher Form auch immer, wieder möglich sein wird. Froh bin ich, dass Jamie Lenz gerade noch rechtzeitig von ihrem Missionspraktikum aus Indien zurückkehren konnte. Ich hoffe, es findet sich Gelegenheit, von ihren Erfahrungen zu hören.
Ich schreibe diesen Brief an alle, von denen ich im Laufe meiner Tätigkeit in Eldagsen und Alferde E-Mail-Adressen erhalten habe. Wer aus dem Verteiler gelöscht werden möchte, gebe Nachricht. Wer jemanden weiß, der das Schreiben auch gerne hätte, der leite es weiter und geben mir (bei vorhandenem Einverständnis) die E-Mail-Adresse. So kann ich sie nachträglich hinzufügen. Bitte haben Sie Verständnis, wenn ich per Post den Brief nur einem sehr begrenzten Empfängerkreis zukommen lasse. Gern füge ich auf Bitten weitere Empfänger hinzu.
Suchen Sie ein persönliches Gespräch, zögern Sie nicht, mich anzurufen. Wenn Sie von Menschen wissen, die Einkaufsbedarf haben, melden Sie sich gern. Ich versuche Hilfe zu vermitteln.
Danke für alle Rückmeldung auf unsere Video-Andachten im Internet und für die Mitwirkung vor der Kamera und im Hintergrund, für die Briefe, die an Kinder und Senioren unserer Gemeinde verschickt wurden, und für die Aktion „Osterspaziergang“, über die die Presse berichtet. Beachten Sie auch die Informationen auf unserer Homepage unter www.kirchengemeinde-eldagsen.de.
Mit dem Wunsch östlicher Freude für die vor uns liegende Zeit, trotz aller Einschränkungen und Unsicherheiten, grüße ich Sie / Euch herzlich
Ihr / Euer
Gerald Flade