Post zur Adventszeit aus dem Pfarrhaus

Nachricht Eldagsen, 04. Dezember 2021

"Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist."
Lukas 6,36

 

Liebe Gemeindeglieder, liebe Leserinnen und Leser,

viele Absagen von Veranstaltungen hat es in diesen Tagen wieder gegeben, vor allem von vorweihnachtlichen Versammlungen und Feiern. Der Terminkalender hat sich zum Teil geleert.

Kaum einer hätte vor Wochen gedacht, dass das Pandemiegeschehen nochmals so heftig aufflammt und unser Leben in vielen Bereichen ausbremst.

Kein Thema erregt zurzeit die Gemüter mehr und muss die neue Regierung beschäftigen wie das Impf-Thema. Die Bereitschaft sich impfen zu lassen, hält sich noch immer in Grenzen. Zudem wirken Impfungen nicht auf Dauer, sondern müssen aufgefrischt werden.

Bewundernswert finde ich, in welch kurzer Zeit Impfstoffe entwickelt wurden, die zumindest mildernd auf Infektionsgefahr und Krankheitsverlauf wirken. Bemerkenswert auch, dass eine so große Zahl an Impfdosen in kürzester Zeit zur Verfügung gestellt werden konnte. Dass es dabei auch zu logistischen Fehlern und Engpässen kam und kommt, ist für mich nur zu verständlich. Da gilt es barmherzig zu sein.

Unbarmherziger wird der Ton, in dem Geimpfte und Nichtgeimpfte sich über einander, selten miteinander, äußern. Ausufernde Infektionszahlen, bis an den Rand der Erschöpfung arbeitendes Krankenhauspersonal und alarmierende Todesraten sprechen eigentlich für sich. Blicke in andere Länder mit höheren Impf-Raten bestätigen ebenfalls die Erfolge. Dennoch gibt es Skeptiker und Zögerer. Einige sehen in den Impfkampagnen Bevormundung durch den Staat, andere folgen Verschwörungstheorien. Wieder andere haben Ängste aufgrund negativer Vorerfahrungen oder Befindlichkeiten. Sie lassen sich nicht ohne weiteres wegwischen.

Klar ist natürlich: Impfungen reduzieren die Gefahren lediglich, beseitigen können sie sie nicht. Auch Nebenwirkungen sind nicht auszuschließen. Millionen geimpfter Menschen sprechen jedoch inzwischen für ihre Wirkung. Booster-Impfungen sollen nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen die Gefahr einer Übertragung des Corona-Virus an Dritte nochmals nachweislich verringern. Weitaus größer als das Risiko befürchteter Spätfolgen von Impfungen ist die Chance, die vorhandenen Möglichkeiten konsequenter zu nutzen als Akt der Barmherzigkeit an den Leidtragenden der Pandemie.

Lange hat die alte Regierung von einer Impfpflicht abgesehen im Vertrauen auf einen Akt „nationaler Solidarität“, wie ihn die scheidende Bundeskanzlerin nochmals beschworen hat. Je länger sich Menschen dem bestehenden Ernst der Lage verschließen, desto stärker wird Impfpflicht in den kommenden Wochen in Betracht kommen. Wer sein eigenes vermeintliches Wohl dem Gemeinwohl voranstellt, darf sich nicht wundern, wenn er sich zunehmend als Außenseiter erlebt. Er wird nicht ausgeschlossen, aber schließt sich selber aus. Er muss verstehen, dass diejenigen, die Impfungen an sich geschehen lassen, auch die zurückgewonnenen Möglichkeiten gefahrlos wiedergewinnen möchten.

Die begonnene Adventszeit lenkt unsere Blicke auf eine noch andere Barmherzigkeit, die Barmherzigkeit Gottes durch seinen Advent (= Ankunft) vor 2000 Jahren. Mit diesem Advent ist Gott in das Leben der Welt eingetreten, um ihren Lauf nicht sich selbst zu überlassen. Dieses Eintreten geschah nicht auf effektvolle Art und Weise, wie man es von Gott erwarten könnte, sondern mit einem winzigen Impuls: Eine einzige Person empfängt die Verheißung „Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben ... Er wird Gottes Sohn genannt werden ..., denn er besucht und erlöst sein Volk.“ (Lukas 1)

Dieses Ereignis hat Umwälzendes ins Rollen gebracht. Seither ist Gott nicht nur im Jenseits, sondern im Diesseits zu erfahren. Wo sich ein Mensch dem Sohn Gottes öffnet und sein Wort einlässt, gibt er Gott Wohnung. So kann Jesus in ihm Barmherzigkeit und Erkenntnis wirken, Dankbarkeit und Freude, Glaubensgewissheit und Friede selbst in stürmischsten Zeiten.

Übrigens, zentrale Botschaft der Adventszeit des Kirchenjahres ist noch etwas anderes: Die (noch ausstehende) Begegnung der gesamten Menschheit mit dem Sohn Gottes.
Wie soll ich dich empfangen und wie begegne ich dir?“, mit diesen Worten stellt Paul Gerhardt, einer der bedeutendsten christlichen Liederdichter des 17. Jahrhunderts, in seinem bekannten Adventslied die entscheidende Frage des Advent. Egal, ob die Begegnung in der irdischen Lebenszeit oder an deren Ende gedacht ist (beide Sichtweisen sind in der Bibel enthalten), es läuft für mich auf dasselbe hinaus: Ich werde vor Christus stehen. Und während vor ihm mein ganzes Leben ans Licht kommt, werde ich das ungeahnte Ausmaß der Barmherzigkeit Gottes an mir erfahren dürfen.

Bleiben wir – auch unter den gegeben Beschränkungen – auf jede mögliche Art und Weise miteinander verbunden. Rufen Sie mich an, wenn Sie ein Anliegen oder Gesprächsbedarf haben. Gottesdienstpredigten können auch als digitale Hör-Datei von der Homepage der Kirchengemeinde abgerufen werden unter www.kirchengemeinde-eldagsen.de.

Eine gesegnete Adventszeit und herzliche Grüße, Ihr / Euer

Gerald Flade